Ist sich die Embedded-Community ihrer nachhaltigen und ethischen Verantwortung bewusst?
Green Software Engineering
Bei dem Begriff Nachhaltigkeit denken viele zunächst an den Aspekt Ökologie. Deshalb starten auch wir damit … Was versteht man unter Green Software Engineering?
Prof. Dr.-Ing. Axel Sikora: ‘Green engineering’ im Allgemeinen ist für mich vor allem mit der effizienten Nutzung von Ressourcen verbunden. Das ist eigentlich etwas, was die Embedded-Ingenieure schon immer machen. Ursprünglich eher aus der Notwendigkeit der beschränkten Rechnerressourcen und dem Einsatz von batteriebetriebenen, ultra-low-energy oder gar energy-harvesting Systemen heraus. Von daher lag von Anfang an ein ganz großes Augenmerk auf der effizienten Umsetzung – und natürlich nicht nur in der Software, sondern auch in der Hardware und im Systementwurf.
Im Zeitalter des Internet der Dinge (IoT) und der umfassenden Vernetzung von eingebetteten Systemen bekommt der Begriff noch mindestens eine zweite Dimension. Alles, was auf dem Gateway oder in der Cloud gerechnet wird, muss man ebenfalls auf Effizienz hin überprüfen. Dieses sogenannte Fog-Computing, das flexibel verteilte Rechnen über die unterschiedlichen Ebenen von IoT-Systemen ist eine sehr aktuelle F&E-Thematik, bei der Computing und Communication und der benötigte Kosten- und Energiebedarf gegeneinander abgewogen werden müssen und können. Da verändert sich momentan sehr viel. Persönlich erwarte ich auch, dass hier die Embedded KI einen sehr großen Beitrag leisten kann, um die oft überdimensionierten KI-Beschleuniger nur dort einzusetzen, wo sie wirklich gebraucht werden.
Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Embedded Systems
Welche Rolle spielt aktuell das Thema Sustainability bei der Entwicklung von eingebetteten Systemen?
Prof. Sikora: Bei Embedded Systems bezieht sich Nachhaltigkeit neben der effizienten Nutzung von Ressourcen auch auf die Systementwicklung — also Hardware und Software. Vieles von dem, was nachhaltig ist, ist hardwaregetrieben, d.h. Hardware möglichst lange und stabil einzusetzen, sauber herzustellen, zu reparieren und zu entsorgen. Dazu gehören aber auch: Updatefähigkeit von Software, Funktionserweiterung, Firmware Update over-the-air usw.
Welche Stellschrauben gibt es bei der Entwicklung von Embedded Systems, um den vielfältigen Nachhaltigkeitszielen gerecht zu werden?
Prof. Sikora: Die Ansatzpunkte verteilen sich über den gesamten Lifecycle von eingebetteten Systemen. Angefangen bei der Produktion, wo natürlich die Halbleiterfertigung sehr komplexe und energiehungrige Prozesse beinhaltet. In dieser Prozesstechnik steckt weiterhin eine Menge Optimierungspotenzial. Dabei spielt sicherlich auch die Umstellung der globalen Lieferketten eine Rolle. Lange sah die typische Supply Chain so aus: Siliziumproduktion in den USA, auf Taiwan oder in Europa, Housing in Malaysia oder der Region, PCB-Produktion und Montage in China und von dort aus in die ganze Welt. Das wird aktuell wieder regionaler — zwar eher aus politischen Gründen zur Sicherstellung der digitalen Souveränität —, aber mit einem positiven ökologischen Nebeneffekt.
Zum Thema der digitalen Souveränität aus nationaler und europäischer Sicht wird dann übrigens Prof. Heuberger vom Fraunhofer-Institut IIS einen der Keynote-Vorträge halten.
Zurück zu den eingebetteten Systemen: Bei ihrem Betrieb spielt dann eine Vielzahl von Aspekten eine Rolle. Dazu gehören: Updatefähigkeit der Software, Informationssicherheit (Stichwort: Key Infrastructure), Speicherkapazitäten und damit zusammenhängend Erweiterbarkeit. Dazu gehört auch das Thema Repairability. Viele Systeme sind im Moment so aufgebaut, dass man sie nur komplett austauschen kann. Da ist das Smartphone nur ein Beispiel. Bei vielen Steuergeräten ist es ebenfalls nicht möglich einzelne Komponenten auszutauschen. In diesem Bereich muss sich noch viel tun.
Am Ende des Lifecycles geht es dann darum, saubere Entsorgungsketten zu etablieren und den Elektroschrott nicht einfach auf die Halde zu werfen und nach Afrika zu verschicken. Auch hier gibt es noch Optimierungspotenzial.
Bei Lithium-Akkus zum Beispiel liegt das Metall Lithium in der sogenannten Schwarzmasse gebrauchter Akkus in einer Konzentration von 2 bis 5 % vor – viel höher als in der Natur, wo es unter großem Aufwand und unter viel Frischwassereinsatz aus der Erde geholt werden muss. Genauso ist es mit vielen anderen Metallen für elektronische Bauelemente und Leiterplatten. Hier laufen zahlreiche Forschungsarbeiten, um diese Materialien wieder dem Stoffkreislauf (Cyclic Economy) zuzuführen.